Dichtkunst. Der poetische Code

Kunst und Dichtung sind Orte der Erinnerung an unsere Urängste und -sehnsüchte. Die aus diesen Dramen geschaffenen Mythen und Bilder werfen ein Licht auf den dunklen Raum des Unbekannten, Unheimlichen und Rätselhaften. Sie bewahren das gemeinsame Gedächtnis der Menschheit auf, in dem die voneinander getrennte innere und äußere Welt wieder eins wird und in unserem Empfinden identitätsstiftend wirkt. Denn Mythen und Legenden verweisen auf eine Ordnung, die Vorstellungskraft und Welt zusammenführt.

Wenn Freud die Triebtheorie als unsere Mythologie bezeichnet: „Die Triebe sind mythische Wesen. Großartig in ihrer Unbestimmtheit“, so ist mit dieser Unbestimmtheit eine Lebenskraft aufgerufen, mit der wir, entsprechend dem genetischen Code, den wir in der belebten Natur sehen, in Mythen und Bildern den poetischen Code des menschlichen Geistes erkennen.

1999