Gegen das Verschwinden von Körper und Sprache
Can I sing for you?

Es gibt sie noch die Troubadoure und Straßensänger, Bewahrer des Volksliedgutes und der Balladen, die Bänkelsänger. In Europa im Sommer 2022. Die jungen Amateure, Medizinstudenten aus Portugal, die Coimbra dos Amores Tuna de Medicina da Universidade de Coimbra mit ihren schwarzen Capes

um die Schultern. Sie tanzen, springen und schwingen ihre Fakultätsflagge in die Lüfte, um sie geschickt im Drehen um die eigene Achse aufzufangen. Eine Gruppe von sechzehn Sängern mit Gitarre, Bass und Querflöten. Alle im Rhythmus mit ihren Trommeln und Schlagzeugen. Vor der alten Post in der Münchner Innenstadt, umrahmt von einem der schönsten in Blauweiß getupften Wolkenhimmeln. Nach Monaten der Furcht vor Ansteckung durch die Pandemie im öffentlichen Raum.

Einer der Sänger legt ein Cape um die Schultern einer langsam vorbeigehenden Passantin, führt sie in die Mitte des Kreises, bedeutet ihr, Teil des Spiels zu sein: Can I sing for you? Im Wechsel mit dem Chor singt er mit seiner jugendlich hellen schönen Stimme das portugiesische Lied Sonhar, ‚dreaming‘. Es geht um Liebe und Schmerz, um Abschied und Erinnerung. I wish to dream and live / High and far away / Where there is no pain! From dreaming to make my being / To forget this immense desert …

Als gäbe es nicht gleichzeitig die schreckliche Wüste an Zerstörungen in neu aufgeflammten Kriegen.

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