Arbeit am literarischen Text. Traumarbeit?
Zu Kafkas Tagebucheintrag „Zum letzten Mal Psychologie“
Von vielschichtiger Natur waren die Erwartungen an das Interdisziplinäre Symposion der Traumwerkstatt München e.V.: Allnächtliche Poeten. Der Traum aus der Sicht von Literatur und Psychoanalyse. Fragen der ästhetischen Wahrnehmung, der künstlerischen Produktion und des dichterischen Handwerk standen im Mittelpunkt. Zur Einführung berichtete ein Lektor, wie er nach der Durchsicht eines Manuskriptes einige Zeilen unterstrichen und mit der Bemerkung versehen habe, die Anregungen, um die er gebeten worden war, beträfen vor allem seine Auffassung, ob es gelungen sei, das Traumatische, er korrigierte sich, das Traumartige ins Taglicht des Literarischen zu führen.
Wie verhält sich nun die Traumarbeit zur Arbeit am literarischen Text? Aufschlüsse darüber sollten die Podiumsgespräche des Symposions geben, die Seminare, Dichterlesungen und Aussagen der Schriftsteller zu den eigenen Texten. Hier einige Auszüge und Eindrücke.
Der Psychoanalytiker Andreas Hamburger stellte in seinem Referat Der Traum als Erzählung drei Thesen auf. 1. Das Gehirn erzählt Geschichten. Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften. 2. Träume inszenieren Geschichten. Wirklichkeiten werden simuliert mit Erzähl- und Zeitstruktur, Spannungsdramaturgie und Coda, Wunsch und Intention, wobei aktuelle Wahrnehmungen, Gedächtnisreste und Affekte eine Rolle spielen. Es handelt sich um affektive Bewertungsszenen hervorgerufen durch traumatische Erlebnisse und Erfahrungen des Scheiterns. Unerledigte Erinnerungen werden in eine neue Inszenierung überführt. Die Wünsche des Träumers als Erzähler zeigen sich vor allem in der Zeit- und Spannungscharakteristik der Träume. Das Entscheidende dabei ist die Melodie des Spannungsablaufes und nicht so sehr der Trauminhalt.
3. Geschichtenerzählen als ein geselliges Tun. Es dient der Identitätsstiftung gemäß einer ‘lean production‘, nach der immer gerade soviel geträumt, bzw. erzählt werde, wie gebraucht wird in Form von kleinen Narrationen. Jean Pauls Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei, Büchners Lenz, Becketts Warten auf Godot stehen in diesem Zusammenhang als Beispiele für Einsamkeitserfahrungen und Kleists Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden für den Kommunikationsaspekt. Das Resümee: Literatur und Traum sind immer auf Geschichten bezogen. Sie bilden dabei eine Oppositionsgemeinschaft.
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